Das Inspire Framework gegen Gewalt an Kindern

Was ist das INSPIRE Framework gegen Gewalt an Kindern? 

Howard Taylor, Koordinator des END VIOLENCE Netzwerkes erklärt es in diesem TED Talk .

Und hier eine deutsche Übersetzung:

Eine globale Initiative zur Beendigung von Gewalt gegen Kinder ( www.end-violence.org ) 

Jedes Jahr erleben eine Milliarde Kinder Gewalt zu Hause, in der Schule, online oder in ihren Gemeinden, sagt Howard Taylor, Aktivist für Kinderschutz. Das Problem ist ein soziales, wirtschaftliches, politisches – und es ist dringend. In einem aufschlussreichen Vortrag zeigt Taylor, warum wir gerade jetzt eine beispiellose Gelegenheit haben, Gewalt gegen Kinder zu beenden und eine bessere Zukunft für jedes Kind zu schaffen. 

"Ich werde oft gefragt, was ich mache. Darauf antworte ich: „Ich arbeite daran, Gewalt gegen Kinder zu beenden. Jegliche Gewalt gegen jedes Kind in jedem Land.“ Normalerweise gibt es eine Pause. Manchmal, je nach Einstellung, "Oh, das ist ein Konversationskiller." Und dann die Fragen: "Von welcher Art von Gewalt sprechen Sie?", "Wie viel Gewalt gibt es?", "Wo passiert es, passiert es hier?" Und wenn ich diese Fragen beantworte, neigen die Leute dazu, schockiert zu sein. Schockiert über das Ausmaß der Gewalt, schockiert über die Natur der Gewalt. Aber ich sorge immer schnell dafür, dass die Leute nicht mit einem Gefühl von Untergang und Düsternis zurückbleiben. Ich glaube, dass wir in dieser Generation eine beispiellose historische Gelegenheit haben, Gewalt gegen Kinder zu beenden. Bei diesem Thema ist einiges in Bewegung. Regierungen, nationale Regierungen, Stadtregierungen, Provinzen und andere schließen sich dieser Bewegung an. Und wenn wir Erfolg haben – und es wird uns alle dafür brauchen – werden wir den Lauf der Menschheitsgeschichte verändern. 

Was meine ich mit Gewalt gegen Kinder? Ich meine all die körperliche Gewalt, sexuelle, psychische und emotionale Gewalt, die Kindern zu Hause, in der Schule, online und in ihren Gemeinschaften widerfährt. Wir arbeiten mit Partnern auf der ganzen Welt zusammen und von diesen Partnern hören wir beunruhigende Geschichten einzelner Kinder. Zum Beispiel Sarah, 10 Jahre alt. Wiederholt von ihrem Stiefvater vergewaltigt und mit Gewalt bedroht, wenn sie es jemandem erzählt. Faisal, in der Schule mit einem Kabel über die Knöchel geschlagen, beschämt und als Esel bezeichnet, musste draußen in der Kälte stehen, wenn er die Antworten falsch versteht. Und von den Partnern, mit denen wir zusammenarbeiten, um das Internet für Kinder sicherer zu machen, hören wir Geschichten wie die von Angelika. Zwölf Jahre alt und gezwungen, sexuelle Handlungen an ihrem Onkel vorzunehmen, die per Livestream zu zahlenden Erwachsenen auf der anderen Seite der Welt übertragen werden. Jedes zehnte Mädchen wird vor seinem 20. Lebensjahr sexuell missbraucht. Die Hälfte der Kinder lebt in Ländern, in denen körperliche Züchtigung nicht vollständig verboten ist. Und allein im vergangenen Jahr wurden in den USA 45 Millionen Bilder und Videos von gewalttätigem und sexuellem Missbrauch von Kindern online gemeldet. Doppelt so viele wie im Vorjahr. 



Jetzt häufen sich diese Formen von Gewalt und andere Formen von Gewalt in wirklich erschütternder Zahl. Eine Milliarde Kinder weltweit erleben jedes Jahr irgendeine Art von Gewalt. Das ist jedes zweite Kind. Dies ist ein universelles Problem. Was gibt mir also Optimismus? Lassen Sie mich über Schweden und Uganda sprechen. Wahrscheinlich zwei Länder, die nicht unterschiedlicher sein können. Wenn Sie mit einem Ökonomen sprechen, sagt er Ihnen vielleicht, dass Schweden ein durchschnittliches Pro-Kopf-Einkommen von etwa 50.000 Dollar pro Jahr hat. In Uganda sind es 2.000 Dollar. Ein Historiker könnte Ihnen sagen, dass Schweden seit etwa 200 Jahren nicht mehr in einem nationalen Konflikt war. Uganda kämpft immer noch mit einem Aufstand im Norden des Landes. Ein Musiker könnte Ihnen sagen, dass in Uganda die Nationalhymne, „Oh Uganda, Land of Beauty“, eine der kürzesten der Welt ist. Tatsächlich ist es so kurz, dass es oft mehr als einmal gespielt wird. Ich glaube, die Schweden spielen ihre und singen sie etwas länger. Aber im Ernst: Schweden und Uganda sind eine Verpflichtung eingegangen, sie haben ein gemeinsames Anliegen und ein gemeinsames Ziel: Die Selbstverpflichtung, Gewalt gegen Kinder zu beenden, und sie ergreifen Maßnahmen, um zu versuchen, ihre Länder auf einen Weg zu bringen, bis 2030 keine Gewalt gegen Kinder zu erreichen. 

Und viele andere Länder, Städte und Staaten schließen sich ihnen an, überall auf der Welt. Aber was bedeutet das wirklich, was bedeutet es in der Praxis? Was tun sie, wenn sie diese Verpflichtung eingehen? Es bedeutet politisches Engagement und Führung auf hoher Ebene. Den Erlass und die Umsetzung von Gesetzen. Und Initiativen zu starten, die Politik zu ändern, eine landesweite Diskussion zu beginnen, die das Bewusstsein schärfen soll, um Einstellungen zu ändern und es sozial inakzeptabel zu machen, Gewalt und Missbrauch von Kindern in einem Land zu haben. Es bedeutet anzuerkennen, dass Gewalt gegen Kinder viele Sektoren betrifft, und daher muss die Reaktion darauf, die Antwort, ein systemischer Ansatz sein. Man kann nicht nur einen Sektor davon berücksichtigen. Es erfordert mehrere Behörden innerhalb und außerhalb der Regierung. Es erfordert religiöse Gruppen, den Privatsektor, Medien, Hochschulen, Organisationen der Zivilgesellschaft und andere. Und es erfordert, sich einerseits auf die besten Praktiken und Ergebnisse weltweit zu stützen, aber andererseits Daten auf nationaler Ebene zu verwenden, um ein Licht auf die oft verborgene Geschichte der Gewalt in einem bestimmten Land zu werfen. Und diese Daten zu verwenden, um die nationalen Akteurinnen und Akteure zu informieren, aber auch, um Fortschritte zu messen und zu verfolgen. Informationen zu verbreiten, was funktioniert, aber auch ehrlich zu sagen, wenn etwas nicht funktioniert. Und die Inspiration zu teilen, wenn wir sehen, dass es Erfolge gibt und Gewalt nachlässt. 

Aber können wir das wirklich auf globaler Ebene tun? Eine Milliarde Kinder erleben jährlich Gewalt. Ich denke wir können. Im Jahr 2015 haben 193 Staats- und Regierungschefs ihre Länder verpflichtet, Gewalt, Missbrauch und Vernachlässigung von Kindern bis 2030 zu beenden. Gewalt gegen Kinder untergräbt alle anderen Investitionen in sie: in ihre Gesundheit, in ihre Bildung. Oft mit mehrjährigen, manchmal lebenslangen und generationsübergreifenden Folgen und Übertragungen. Aber es geht nicht nur um internationale Vereinbarungen und Regierungen – natürlich sind sie wirklich wichtig. Ich denke, etwas ändert sich auch grundlegender, und wir als Gesellschaften auf der ganzen Welt zeigen endlich inakzeptable Verhaltensweisen auf, die zu lange geduldet wurden. Denken Sie an die #MeToo-Bewegung und wie Sektor für Sektor, Firma für Firma die Täter anprangert, sie zur Rechenschaft und zur Verantwortung zieht. Es ist eine Reise, aber wir haben uns darauf eingelassen. Schauen Sie sich an, was in den Hilfsorganisationen passiert ist. Nach einigen Machtmissbräuchen nehmen nun NGOs den Schutz von Kindern auf der ganzen Welt sehr ernst. 

Aber vielleicht sogar noch mehr. Kinder und Jugendliche selbst haben jetzt, teilweise unterstützt durch Technologie, eine eigene Stimme, die sie, glaube ich, vorher nicht hatten. Und sie nutzen diese Stimme nicht nur, um sich für die Situation einzusetzen, die sie um sich herum sehen oder für das, bei dem sie erkennen, dass es verbessert werden muss, sondern um Teil der Lösungen für Dinge zu sein, die ihr Leben tatsächlich beeinflussen. Denken Sie an die jungen Aktivist_Innen, die sich gegen weibliche Genitalverstümmelung, Kinderheirat, Cyber-Mobbing, und für sichere Schulen, und gewaltfreie Konfliktregelung aussprechen – die Liste ließe sich beliebig fortsetzen. Diese Kinder sind wirklich wichtig. Wir haben also politische Führung, wir haben Jugendaktivismus, wir haben evidenzbasierte Lösungen, wir haben ein wachsendes öffentliches Bewusstsein – wir sind auf diesem Weg und beginnen diese Reise, um bis 2030 auf null zu kommen. 

Aber was sind diese Lösungen? Vor drei Jahren, im Jahr 2016, kamen 10 globale Institutionen zusammen und schlossen sich einem Rahmenwerk an, das einen umfassenden, schrittweisen Ansatz zur Beendigung von Gewalt gegen Kinder darstellt. Es heißt INSPIRE. Es befasst sich mit der Notwendigkeit der entsprechenden Gesetzgebung, mit sozialen Normen, mit der Unterstützung von Eltern und Betreuern und mit Maßnahmen für jene Kinder, die bereits Gewalt und Missbrauch erfahren haben. Und sichere Schulen, damit Kinder in einer Lernumgebung sein können, in der sie sich entfalten können. In Uganda konnte vor vier Jahren ein achtjähriges Mädchen mit einem 30-jährigen Mann verheiratet werden. Das kann nicht mehr passieren. 2016 machte der „Children Act“ das illegal und legte das Mindestalter für Eheschließungen auf 18 Jahre fest. Das ist das I von INSPIRE: Gesetze implementieren und umsetzen. Kambodscha führte eine landesweite Unterstützung für Eltern und Betreuer_Innen ein, damit sie in der Lage sind, Kinder gewaltfrei zu erziehen. Das ist das P von INSPIRE: Unterstützung für Eltern (Parents) und Betreuer. Auf den Philippinen gibt es landesweit 100 Zentren zum Schutz von Frauen und Kindern. Frauen und Kinder, die entweder einem hohen Risiko von Missbrauch und Gewalt ausgesetzt sind oder Gewalt erfahren haben. Das ist das R von INSPIRE: Response- und Support-Services. Und in Uganda wurde jetzt für die Hälfte der Lehrer in Uganda ein Toolkit für sichere Schulen eingeführt, das sie in die Lage versetzt, eine Klasse mit gewaltfreien Methoden zu unterrichten. Das ist das E von INSPIRE: Bildung (Education) und Lebenskompetenzen. 

Das sind nur einige Teile des INSPIRE-Frameworks. Aber immer mehr Länder verpflichten sich, es umzusetzen, es lokal anzupassen, es mit den relevanten Daten zu abzugleichen, einen Plan zusammenzustellen, Sektor übergreifend zu arbeiten und diese Reise hin zu Null zu beginnen. Kanada, Mexiko, Vereinigte Arabische Emirate, Tansania – Schweden und Uganda habe ich bereits erwähnt – Japan, die Philippinen, Indonesien, immer mehr Länder und jetzt auch Städte. Und genau hier in Schottland richtet die University of Edinburgh ein Lernlabor ein, das die Reise verfolgen wird, die die Städte in Schottland, auf den Philippinen und in Kolumbien gemeinsam gehen. Man beobachtet etwas, das in einer Stadt funktioniert, oder man nimmt etwas, das auf nationaler Ebene zur Umsetzung vorbereitet wird und bringt es auf die Ebene der Städte, wo wir glauben, dass wir in kürzerer Zeit wahrscheinlich schnellere und nachweisbare Fortschritte erzielen können. Und wenn wir das tun, wird dieser Erfolg im Lernlabor und darüber hinaus an der Edinburgh University geteilt. 

Gewalt zu beenden ist das Richtige, es ist eine kluge Investition, wir haben evidenzbasierte Lösungen und wir haben diese Reise begonnen. Aber was würde passieren, wenn wir Gewalt gegen Kinder tatsächlich beenden? Stellen wir uns das einmal kurz vor. Denken Sie zunächst an die erwähnten Kinder. Sarah lag nachts nicht mehr in ihrem Bett und hatte Angst vor den Schritten ihres Stiefvaters, die die Treppe heraufkamen. Faisal würde zur Schule gehen und es würde ihm gut gehen. Er würde keine Angst mehr haben, in der Schule zu sein und von den Lehrern gemobbt, geschlagen und beschämt zu werden. Und Angelika und ihresgleichen wären nicht länger etwas, eine Ware, die zum Vergnügen von Erwachsenen, Tausende von Kilometern entfernt, online gebracht wird. Aber dann vervielfachen Sie die sozialen, wirtschaftlichen und kulturellen Vorteile davon. Multiplizieren Sie diese mit jeder Familie, jeder Gemeinde, jedem Dorf, jeder Stadt, jedem Land und plötzlich entsteht eine neue Normalität. Eine Generation würde ohne Gewalterfahrungen aufwachsen. Es wird uns alle brauchen. Aber wir haben eine beispiellose Gelegenheit, es zu versuchen, und ich glaube, auch wir als Erwachsene haben die Verantwortung, dies zu tun. 

Und dann, wenn wir alle gefragt werden: "Was machst du?" kann jeder von uns kann sagen: "Ich ändere den Lauf der Menschheitsgeschichte. Ich trage meinen Teil dazu bei, Gewalt gegen Kinder zu beenden." 

Lasst es uns tun - und zwar jetzt."




Hier ist die deutsche Übersetzung: